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AutorenbildBirgit

Schmerzensmann

Im Moment geht es mir nicht so gut.

Irgendwie zickt mein Körper an allen möglichen Stellen und es ist gerade schwer, das auszuhalten.

Nun ist das für mich kein neues Gefühl, ich bin seit über 20 Jahren chronisch krank mit mal mehr, mal weniger Schmerzen . Und damit bin ich nicht alleine: Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung gilt als "chronisch krank". Also kann es sehr gut sein, das Du, die/der du hier grad liest , genau weißt, von was ich schreibe.

Wer dauerhaft Schmerzen hat, der muss einfach auch irgendwie versuchen, damit zu leben. Ich sage immer: " Ich kann mir doch nicht ständig die Laune von meinen Schmerzen verderben lassen!" Und das gelingt mir mal mehr, mal weniger.


Gerade bin ich z.B. mit meinem Mann in Urlaub und wir haben es schöööön...wirklich ganz wunderschön- aber trotzdem habe ich immer Schmerzen, bei jedem Schritt, nachts im Bett und auch, wenn ich mit dem Fahrrad an der Ostsee entlangfahre und innerlich singe, weil der Herr uns so eine wunderbare Schöpfung geschenkt hat.

Ich lebe gut mit meinem Schmerz zur Zeit...aber das gelingt mir nicht immer...

Kennst Du das auch?

In den schlimmen Zeiten, da hadere ich mit Gott, schimpfe und bettel, dass er mich doch bitte gesund macht. Als es mal ganz schlimm war, habe ich sogar versucht, mit Gott zu verhandeln: "Wenn du mich heilst, lieber Gott, dann mache ich *das und das* für dich!"...heute schäme ich mich ein bisschen dafür, aber wenn man sehr verzweifelt ist und am Ende seiner Kräfte, macht man solche Vorschläge.

Und dann schäme ich mich auch, das ich ständig für mich bitte- obwohl doch andere Menschen um mich herum viel nötiger geheilt werden müssten, denn ich habe keine lebensbedrohliche Krankheit und kann mein Leben ziemlich normal leben ( wobei das natürlich Quatsch ist- Gott hat ja nicht nur ein gewisses Kontingent an Heilung zur Verfügung, wenn er will, macht er mit einem Gedanken ganze Bevölkerungen heil!).

Wenn es mir schlecht geht, dann bin ich auch oft ungerecht zu Gott, mache ihm Vorwürfe, warum ich das mitmachen muss- obwohl ich ja den Großteil meiner Erkrankungen selbst verschuldet habe oder zumindest durch meinen Lebensstil noch verschlechtert habe.


Wenn es mir schlecht geht, dann sehne ich mich nach diesem einen Stück Stoff.

Diesem Stückchen Stoff, das die Frau mit den Dauerblutungen berührt hat.

Das will ich einfach auch so gerne anfassen dürfen...


"Jesus ging mit ihm. Eine große Menschenmenge schloss sich ihm an und drängte sich um ihn.  Unter den Leuten war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an schweren Blutungen litt.  Sie war bei vielen Ärzten in Behandlung gewesen und hatte dabei viel gelitten und ihr gesamtes Vermögen ausgegeben, aber es hatte nichts genützt; im Gegenteil, ihr Leiden war nur noch schlimmer geworden.  Diese Frau hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand,  denn sie sagte sich: »Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich gesund.« Und wirklich, im selben Augenblick hörte ihre Blutung auf, und sie spürte, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.  Im selben Augenblick merkte auch Jesus, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war. Er drehte sich um und fragte die Leute: »Wer hat mein Gewand berührt?«  Seine Jünger erwiderten: »Du siehst doch, wie sich die Menschen um dich drängen, und da fragst du: ›Wer hat mich berührt?‹«  Aber Jesus blickte in der Menge umher, um zu sehen, wer es gewesen war. Zitternd vor Angst trat die Frau vor; sie wusste ja, was mit ihr geschehen war. Sie warf sich vor Jesus nieder und erzählte ihm alles, ohne etwas zu verschweigen.  »Meine Tochter«, sagte Jesus zu ihr, »dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du bist von deinem Leiden geheilt.«

Markus 5, 24-34

Ja, das wärs.

Wenn doch nur der Schatten Jesu auf mich fallen würde, dann wäre ich sofort gesund-davon bin ich überzeugt. Und genauso wird es kommen: Wenn ich Jesus begegne, werde ich einen neuen Körper bekommen und ohne Schmerzen bei ihm leben. Und darauf freue ich mich soooo sehr!

Aber jetzt? Hier? Da komm ich an dieses Stückchen Stoff nicht ran.

Wir leben seit dem Sündenfall in einer Welt mit Trauer, Krankheit und Schmerz. Und damit muss ich, müssen wir, klar kommen. Auch als Christen. Ich wehre mich dagegen, das es heißt, man glaubt einfach nicht "genug", deshalb wird man krank. Das finde ich eine ganz schlimme These, die von der Bibel so auch nicht gestützt wird- aber wieder zeigt, das wir immer auf der Suche nach einem "Warum?" sind.


Die Frage nach dem "Warum? " und "Warum ich?" treibt mich auch immer wieder um (vor allen an den schlechten Tagen, wenn die Nerven blank liegen). Aber ich glaube, dass ist nicht zielführend. Denn ich werde hier einfach keine befriedigende Antwort bekommen.

Einen kleinen Hauch von Gottes Antwort auf meine Fragen habe ich nach meiner letzten schlimmen Krankheitsphase gespürt: Als ich nach knapp 6 Monaten platt auf dem Rücken liegen wieder ins Leben zurück fand, da konnte ich selbst die selbstverständlichsten Dinge ganz anders genießen- sie als Geschenk sehen.

Wir haben damals gemeinsam einige Baustellen aufgearbeitet und unser (Glaubens)Leben verändert nach dieser Krise und das ist bis heute ein Segen für mich, meinen Mann und unsere Kinder.

Aber so geht es nicht immer. Manchmal findet man einfach nichts Gutes an oder nach einer Erkrankung und ich finde es auch gefährlich, im Nachhinein immer nach Gründen oder etwas Gutem zu suchen- obwohl ich es eigentlich immer versuche: Mir irgendwie zu erklären, warum etwas passiert.

Und gestern sind auf einmal alle Fragen nach einem "Warum?" oder "Warum ich?" verstummt, weil es endlich Klick gemacht hat bei mir. Es geht nicht um das "Warum?", sondern es geht um das "Mit wem?".

Wir waren gestern in Schleswig, im Landesmuseum Schloss Gottorf und haben uns da verschiedene Bilder, Schnitzereien und anderes Kulturgut zu Gemüte geführt.

Unter anderem war dort ein Raum mit Bildern von Lucas Cranach, dem Älteren, zu sehen.

Sehr tolle, interessante Bilder: "Jesus segnet die Kinder", "Der Sündenfall" oder die bekannten Portraits von Luther und Melanchton. Da ich ja früher auch mal gemalt habe, war es einfach toll, ganz nah an die Objekte ran zu dürfen und genau hinzuschauen. Wir waren auch ganz alleine dort und konnten ganz ungestört schauen. Es war faszinierend.


Und dann schaute ich Jesus in die Augen.

Und es traf mich mitten ins Herz. Ich schaute in die Augen eines Mannes, der genau weiß, was Schmerz bedeutet: Einsamkeit, Verzweiflung, Schwachheit, Mutlosigkeit und totale Dunkelheit.

Und ich verstand zum ersten Mal so richtig, das da jemand ist, der ganz genau weiß, wie es mir gerade geht. Der jeden Schmerz der Welt selbst gespürt hat. Der meine Verzweiflung ganz genau kennt .

Ich bin nicht alleine mit meinen Sorgen, meinen Schmerzen, meinen Zukunftsängsten: Denn mein Gott, mein Jesus, hat das alles schon selbst am eigenen Leib erfahren, sogar noch 100fach mehr als ich.

Ich schaute auf dieses Bildnis, sah die Blutstropfen, die ja ganz persönlich für mich geflossen sind und musste weinen. Weinen, weil es mir so leid tut, das mein geliebter Jesus wegen mir solche Leiden erduldet hat. Weinen vor Rührung, weil er das aus Liebe zu mir ganz freiwillig getan hat. Und mir kamen die Tränen, weil ich mich mit meinem Schmerz, meinen Sorgen so verstanden fühlte.


Lukas Cranach hat das 1537 verstanden, was der "Schmerzensmann" Jesus wirklich war und konnte das perfekt mit seiner Gabe zum Ausdruck bringen: Jesus hat gelitten, Jesus hat geblutet-aber Jesus hat vor allem eins: Geliebt.

Dich und mich und jeden Menschen auf dieser Welt.

Und er liebt mich auch durch meine Schmerzenszeiten hindurch.

Ich darf wissen, das ich mit ihm, der jede Art von Leiden kennt, durch meine Krankheit gehen darf und mich von ihm trösten lassen darf.

Es ist egal "Warum?" denn ich weiß "mit Wem?"!



Und dann darf ich mich freuen auf die Zeit, wo das Stück Stoff nicht mehr "außer Reichweite" ist...


" Im Übrigen meine ich, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen, wenn wir an die Herrlichkeit denken, die Gott bald sichtbar machen und an der er uns teilhaben lassen wird. Ja, die gesamte Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, dass die Kinder Gottes in ihrer ganzen Herrlichkeit sichtbar werden. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, allerdings ohne etwas dafür zu können. Sie musste sich dem Willen dessen beugen, der ihr dieses Schicksal auferlegt hat. Aber damit verbunden ist eine Hoffnung: Auch sie, die Schöpfung, wird von der Last der Vergänglichkeit befreit werden und an der Freiheit teilhaben, die den Kindern Gottes mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird.  Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen.  Und sogar wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird. Unsere Errettung schließt ja diese Hoffnung mit ein. Nun ist aber eine Hoffnung, die sich bereits erfüllt hat, keine Hoffnung mehr. Denn warum sollte man auf etwas hoffen, was man schon verwirklicht sieht? Da wir also das, worauf wir hoffen, noch nicht sehen, warten wir unbeirrbar, bis es sich erfüllt."

Römer 8, 18-25


Haltet durch und lasst euch von IHM trösten, ihr Lieben!!!

Liebe Grüße von der Schlei!

Eure Birgit

"Schmerzensmann" Ausschnitt aus dem Gemälde ( Handyfoto)

Lucas Cranach d.Ä. 1527

Öl/Tempera auf Rotbuchenholz, ausgestellt im Landesmuseum SH



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