Letzte Woche hatte mein Mann einen halben Tag Homeoffice, um hier zuhause ungestört eine Online-Fortbildung zu machen. Ich hatte mir für die Zeit vorgenommen, ein paar Besorgungen zu machen.
Ich fuhr also los, hier in den Ort, erst zur Apotheke- das neue Impfzertifikat holen- und dann wollte ich zur Post, die neuen Bestellungen abschicken. Ich ging also wieder zum Auto, Impfzertifikat rein-Päckchen raus und sehe aus dem Augenwinkel einen älteren Mann mit Päckchen unterm Arm zum Bankautomat abbiegen ( die Bank liegt hier bei uns zwischen Apotheke und Poststelle). Ich gehe an der Bank vorbei, will gerade zur Post einbiegen, da kommt von hinten besagter Herr aus der Bank, sieht mich ( mit meinen Päckchen am Arm), rennt los, schneidet mir den Weg ab, rempelt mich dabei fast noch an und geht zügigen Schrittes VOR mir zur Post rein.
Ihr müsst wissen, das momentan wegen Corona nur ein Kunde in die Poststelle darf.
Und er hatte wohl keine Lust zu warten ( obwohl ich immer schon alles vorfrankiere und nur abgeben muss und er vielleicht 10 Sekunden hätte warten müssen, nur mal nebenbei...)
Nun ja, ich stehe da also vor dem Laden und warte...und ich muss sooo lachen...keine Ahnung, aber das war so eine albere Situation, wie dieser alte Mann sich mir quasi in den Weg wirft, nur um die paar Schritte schneller zu sein und zuerst im Laden.
Ich lächle immer noch als der Mann wieder aus dem Laden kommt- und er sieht mir - wohl nun doch ein wenig beschämt-nicht in die Augen und geht.
Der Postmann drinnen ist mittlerweile ein guter Bekannter und ich erzähl im lachend von diesem wenig "gentlemanliken" Erlebnis. Er kann nicht lachen...er schüttelt nur traurig und resigniert den Kopf und sagt: "Es passiert so oft und es wird immer schlimmer. Keiner hat mehr Zeit, keiner nimmt mehr Rücksicht."
Nachdenklich steige ich in mein Auto und fahre in den Supermarkt. Kaufe ein. Natürlich wieder viel mehr, als in meine Klappbox passt, also stapel ich den Rest sehr abenteuerlich in den Kofferraum von meinem kleinen Twingo.
In dem Moment kommt ein fettes Fahrschulauto auf den Parkplatz gefahren (mal ehrlich, warum müssen die Kids heute in diesen riesen Schiffen das Fahren lernen??? War es früher nicht schon schwer genug mit nem Golf III n die Parklücke zu kommen?), ein junges Mädchen am Steuer. Sie üben einparken. Und es klappt nicht so ganz flüssig, das Mädchen schlägt falsch ein und hat sich etwas festgefahren. Gegenüber steigt ein Mann in seinen Wagen und kann nicht losfahren, weil das Fahrschulauto ihn blockiert. Nach etwas 5 Sekunden verliert er die Geduld und hupt wie wild,will dass die Fahrschule Platz macht.
Ich bin fassungslos! Kann er nicht etwas Geduld aufbringen und kurz warten? Hat er vergessen, wie es uns damals ging, als wir noch Fahrschüler waren? Ich schüttel ernüchtert den Kopf in seine Richtung und hoffe, er hats gesehen...die Fahrschule sucht sich ne andere Lücke zum üben und er fährt viel zu schnell vom Parkplatz runter und ist weg.
Auf dem Weg nach Hause denke ich über diese Erlebnisse nach und werde irgendwie traurig darüber, das es so eine Mangelware geworden ist, geduldig zu sein. Jemandem den Vortritt zu lassen, sich in andere hineinversetzen zu können.
Ist in diesen Zeiten ja auch schwierig, wo die Schlagwörter "Selbstverwirklichung" , "Karriere" und "Zeitmanagement" über allem stehen.
" So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen." Epheser 4,1-6
Sanftmut. Mein Lernfeld.
Paulus schreibt hier in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus natürlich hauptsächlich an die Christen und wie sie sich untereinander verhalten sollen. Aber es gilt auch für mich und meine Verhalten Fremden gegenüber, denn auf meinem Weg zurück nach Hause kommt mir im Auto auch dieser Gedanke:
Wir sind berufen, anderen von unserer Liebe zu Jesus ( und seiner unendlichen Liebe zu uns!) weiterzuerzählen.
Aber ist es nicht auch eine Möglichkeit oder vielleicht sogar unsere Pflicht, ganz ohne Worte ein Zeugnis für Jesus zu sein, wenn ich SANFTMUT auch Fremden gegenüber praktiziere? Auch wenn sie mir gegenüber richtig doof sind?!
„Die Sanftmut steht im Gegensatz zur Gewaltsamkeit. … Sanft ist er (der Mensch), wenn er sich nicht vom Zorn hinreißen lässt, ohne vermeidbare Härte im Affekt, weich und behutsam. Sanftmut bezeichnet dabei nicht nur eine Weise des Verhaltens, sondern mehr noch eine Beschaffenheit der Gesinnung. … Die Sanftmut des Verhaltens verbindet sich sodann mit der Behutsamkeit im Umgang. Diese Behutsamkeit ist eine Art von Vorsicht, die keinen Schaden an den andern Menschen … herankommen lassen will.“
– Bollnow: Die Tugend der Geduld (Quelle: Wikipedia)
Christ sein und Sanftmut- das müsste eigentlich Hand in Hand gehen.
Tut es das bei mir?! Oh jeh, ganz und gar nicht!!!
Macht mein Verhalten einen Unterschied? Merkt man mir an, das ich Jesus im Herzen habe, wenn ich im Alltag anderen Menschen begegne? Im ganz, ganz Kleinen, im alltäglichsten Alltag? Wenn ich gestresst bin? Oder nicht gut drauf? Bin ich ein "unbewusstes" Zeugnis für Jesus, wenn ich z.B. nicht noch schnell mit dem Einkaufswagen den Schritt schneller mache, um zuerst auflegen zu können?
Oder jemanden vor lasse? Die Kassiererin ganz freundlich begrüße und ihr nachher danke? Jemandem im Auto eine Lücke lasse, damit er abbiegen kann. Mich innerlich mal nicht aufrege über jeden vermeintlichen Fehler, den der Andere macht. Sondern einfach mal nachsichtig bin und lächle.
Ich glaube schon.
Ich glaube, ich verändere damit ein klitzebisschen das Leben des anderen, erfreue sein Herz ein wenig, lasse etwas Wärme in sein Leben. Und ich wärme auch mein Herz damit, wenn ich Sanftmütig bin und anderen etwas Gutes tue. Ich entgifte meine Seele.
Und ich glaube, Jesus freut sich sehr darüber.Wirklich.
Also will ich üben, locker zu werden und Sanftmütig zu sein- egal was kommt. Hui.
Jesus, hilf mir bitte dabei.
Alles Liebe Euch- seid gesegnet!
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